Gute Bücher stecken voller Rätsel und Ideen, sie knistern vor Magie und es ist nicht ganz ungefährlich, sich mit ihnen einzulassen. Hinter dem Titel locken fremdartige Welten und andere Zeiten. Helden, die alles riskieren. Schnell die Augen abwenden, noch ist Gelegenheit, zu entkommen. Doch, nein. Schon hat dich der Klappentext am Wickel und der Sog setzt ein. Du hebst den Deckel vorsichtig an und dir weht Abenteuer ins Gesicht. Nach wenigen Sätzen bist du mittendrin und alles, was bis dahin so brennend wichtig war, kühlt ab, verblasst, schleicht sich aus deinem Bewusstsein.
Seit ich meine Nase in Bücher stecke – seit meinem ersten Mal im Kopfkino – suche ich den Kick, der mich ins Buchstabenuniversum katapultiert. Ich bin süchtig nach gutem Lesestoff. Aus diesem Grund lese und schreibe ich, denn in kaum einem anderen Moment fühle ich mich lebendiger.
Natürlich sind Romanfiguren und die Welten, in denen sie leben – ob im Krimi oder in der High Fantasy – fiktiv. Aber, willst du den ultimativen Kick, musst du – ob Leser oder Autorin – in sie hineinschlüpfen. Du musst dich einlassen. Egal, was dann mit dir passiert. Nur wenn du fühlst, was die Figuren fühlen, und siehst, was sie sehen, bekommst du die physikalischen Gesetze ihrer Welten zu spüren.
In einem guten Buch pulsiert das Herzblut des Autors. Nur, wenn er mit vollem Verstand und aus ganzer Seele schreibt, packt es auch denjenigen, der sich traut, den Deckel anzuheben, um sich auf das Abenteuer hinter den Buchstaben einzulassen.
Als Teenager gab es kaum einen Ort, an dem ich nicht gelesen habe. Wenn wir Besuch hatten, unter dem Tisch, nachts um drei mit der Taschenlampe unter der Decke, auf dem Klo, illegal in der Mathestunde, vor dem Vokabeltest oder völlig legal in der Deutschstunde und in der Stadtbücherei.
Heute gibt es kaum einen Ort, an dem ich noch nicht geschrieben habe. Jede gestohlene Stunde zählt. Nach der Sauna auf der Liege, im Flieger, im Zug, im Auto (nur wenn ich selbst nicht fahre!!!), an einigen Traumstränden dieser Welt (am liebsten bei Sonnenuntergang), im Dschungel, in der Wüste, auf viertausend Metern in den Bergen, am anderen Ende der Welt, in schlaflosen Nächten, und davon gibt es viele, wenn der Kopf voller Ideen ist, wenn die Figuren dir unentwegt erzählen (selbst in der Schlange vor der Supermarktkasse), wen sie lieben und was sie erobern und erreichen wollen.
Deswegen ist lesen und schreiben, für mich die schönste Sache der Welt. Hier geht es mir wie Faust und seinem HiWi Wagner beim Osterspaziergang:
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.
Heike Knauber wurde 1967 in Saarlouis geboren. Heike Knauber war ein Jahrzehnt im Vertrieb für einen Software-Entwicklungskonzern tätig. Heute arbeitet sie als dolmetschende Reiseassistentin und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Schwalbach an der Saar.