Sabine Engel, Jahrgang 1974, studierte Physik in Bochum, forschte in Kanada, promovierte in Nuklearer Astrophysik und schrieb nebenbei für Spektrum der Wissenschaft. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Berlin.
Sabine Engel über sich selbst:
Mein erstes Auto hieß Olli. Olli war ein kleiner, brokatgelber Corsa. Wir waren ein Team, wir zwei. Wir waren uns treu. Nur manchmal vergaß ich das Benzin nachzufüllen. Dann musste Olli kurz auf dem Standstreifen auf mich warten. Aber er wusste, ich würde wiederkommen, und ich wusste, er würde noch dort sein. Einen Freund lässt man nicht im Stich.
Heute lebe ich in Berlin und habe ein Auto ohne Namen. Es fährt und ich kümmere mich um den Sprit. Das klappt ganz gut, aber es ist keine persönliche Beziehung. Nicht wie mit Olli. Persönliche Beziehungen habe ich nur noch mit Menschen. Wenn man älter wird, dann ist das so.
Doch in letzter Zeit haben mich Zweifel beschlichen. Es gibt da jemanden oder besser gesagt: etwas. Und wenn man meinen Töchtern glauben darf, habe ich dieses Etwas lieber als sie. Das stimmt natürlich nicht ganz. Aber eines ist sicher: Mein Laptop und ich, wir streiten nie. Wir mögen uns, obwohl wir viel Zeit miteinander verbringen. Sehr viel Zeit. Er hat nie schlechte Laune. Er gibt keine Widerworte, und im Urlaub vermisse ich ihn sogar. Wir kommen einfach gut miteinander aus. Er ist solide, verständnisvoll, immer für mich da. Er ist mein Hirn und Quelle meiner Inspiration. Wenn ich mich morgens voller Tatendrang bin, ist er dabei. Dann reisen wir zwei in fremde Welten, erstürmen die höchsten Gipfel und haben eine supergute Zeit. Die Geschichten schreiben sich dann wie von selbst. Wenn es mir schlecht geht, kann ich mit ihm reden. Ich liege quasi bei ihm auf der Couch, schreibe ein bisschen und schon geht es mir besser.
Letztens meinte mein Mann, es wäre an der Zeit, über einen neuen Computer nachzudenken. Diesen Gedanken mag ich gar nicht. Ich gebe zu, mein alter Laptop sieht nicht mehr so schön aus. Manchmal ist er etwas schwer von Begriff, dann wird er langsam. Ich habe auch schon einen leichten Hang zum Altersstarrsinn bei ihm entdeckt.
Nur meine Töchter würden sich über eine solche Trennung freuen, nicht weil ich meinen Laptop lieber mag als sie. Nein, sie wollen ihn übernehmen, ihn fortan lieber haben als mich, und vermutlich (aber das weiß ich natürlich nicht genau) werden sie ihm auch einen Namen geben.
Nur was wird dann aus mir? Es gibt nur eine Lösung: Ich muss ihnen zuvorkommen. Ich werde meinen Laptop ab sofort Kasimir nennen. Schon habe ich Sicherheit. Denn ein Ding, das einen Namen hat, ist ein Freund. Und einen Freund gibt man nicht einfach her.